Fortsetzung von gestern:
Ein schlimmer Fehler: Sofort tauchen zwei Jungs wie aus dem Nichts auf, die uns überfallen. Alles geht ganz schnell. Der materielle Schaden ist sehr gering. Mein altes Smartphone mit der südafrikanischen SIM-Karte, das wir vor allem für die Navigation unterwegs nutzen, ist weg. Aber ich hätte ohnehin in den nächsten Tagen die Karte aufladen müssen. Und glücklicherweise kann mein neues Handy zwei SIM-Karten aufnehmen (Dual SIM). Außerdem wird Andreas’ alte Powerbank gestohlen. Die neue hat er zuhause gelassen.
Der körperliche Schaden bei mir ist gering. Ich habe eine kleine Wunde überm rechten Ohr und in der Ohrmuschel (dazu unten mehr). Andreas bleibt glücklicherweise unverletzt. Der emotionale Schaden ist groß. Wir sind entsetzt über die beiden Jungs und vor allem über unsere Dummheit. Wir hätten hier nie und nimmer halten dürfen.
Nach dem Vorfall fahren wir auf direktem Weg zurück zur Wohnung. Da meine Wunde auch nach einiger Zeit noch etwas blutet, fahren wir mit einem Uber zum Christiaan Barnard Hospital. (Ältere werden sicherlich wissen, wer dieser Christiaan Barnard war.) Dort umsorgen mich vier Frauen mit der für Südafrikaner typischen Herzlichkeit. Zuerst nimmt sich Angel meiner an: schwarz, dick und mit einem riesigen Lächeln, als sie erfährt, dass Andreas und ich verheiratet sind. Sie nimmt die Erstversorgunng vor. Dann kommt Somaja, eine herzliche Frau, die sich immer wieder um mein Wohlbefinden kümmert. Sie ist eine “proud coloured” und trägt als Muslima ein dezentes Kopftuch. Wir diskutieren auch den schwierigen Begriff “coloured” (farbig). Sie weiß, dass der Begriff in den USA völlig inakzeptabel ist. Sie als Kapmalaiin ist aber stolz auf diese Bezeichnung. (Durch meinen längeren Aufenthalt 1980 im damals noch von der schrecklichen Apartheit geprägten Südafrika sind wir diese komplizierten Zusammenhänge noch gut vertraut. Aber eine genaue Erläuterung hier würde den Rahmen sprengen.) Auch Somaja strahlt uns an, als sie erfährt, dass wir ein Paar sind. Wir erzählen, dass für uns Reisen in muslimische Länder problematisch sind. (Noch etwas Politisches: Südafrika war 1996 das erste Land der Welt, dass die Rechte von Schwulen und Lesben in der Verfassung festgeschrieben hat.) Danach kommt die Ärztin, eine junge weiße Frau mit einem riesigen Kopftuch, das sie wie eine strenggläubige Muslima trägt. Offensichtlich hat sie einen britischen Hintergrund, erzählt uns auch von ihrem deutschen Großvater. Sie ist zurückhaltend, taut aber nach einiger Zeit auf. Die vierte Frau im Bunde ist die “Kassiererin”, die mich mit “You look like a Muslim” begrüßt. Meine Wunde wurde genäht, daher muss ich jetzt für wenige Tage einen schicken Kopfverband tragen. Mit einem Taxi geht’s zurück zur Wohnung. Wir sind noch immer ziemlich geschockt und entsetzt über unsere eigene Dummheit.
Heute fahre ich mit einem Uber zu einem ENT (auf deutsch HNO). Er stellt fest, dass die Verletzung am Ohr unbedeutend ist.
Heute Abend trinken wir ein Glas Tinta Barocca vom Weingut – Allesverloren 😉
(Das Beitragsfoto ganz oben wurde gestern im Weingut Oak Valley aufgenommen.)